Werden Flugtaxis Teil der Mobilität in Städten?

Als Autos vor gut 100 Jahren begannen, in Städten zu fahren, gab es erst einmal Chaos. Damals teilten sich Fußgänger, Radfahrer, Pferde und Kutschen den Straßenraum, in den nun zusätzlich motorisierter Individualverkehr eindrang. Heute stehen wir kurz vor der Einführung von Flugtaxis in Städten – und es lohnt sich, aus der Vergangenheit zu lernen. Um 1900 war nicht geregelt, wie die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer sich den Straßenraum aufteilen sollten. Plötzlich waren Fußgänger nur noch im Weg – und wurden häufig Opfer von Unfällen. Erst 1910 trat das erste deutsche Kraftfahrgesetz in Kraft, das diese Regelungen dann einführte.

 Obwohl die Drohnentechnologie nicht um den selben Verkehrsraum wetteifert, müssen dennoch schnellstmöglich Regeln aufgestellt werden, um zu verhindern, dass sich die Geschichte wiederholt – und dass Technologie-Anbieter die Städte vor sich her treiben.

Anwendungsgebiete von Drohnen und Flugtaxis in Städten

Ohne Zweifel gibt es eine Vielzahl von Anwendungsgebieten für Drohnen, von denen Städte uneingeschränkt profitieren können. Andere Anwendungen hingegen werden je nach Eintrittszeitpunkt und Intensität der Nutzung eine große Herausforderung darstellen. Grundsätzlich kann man 3 Anwendungstypen unterscheiden: Unbemannte Inspektions- und Überwachungsanwendungen, deren Hauptaufgabe in der Datenübertragung liegt, kommerzielle oder Notfalls-Lieferdienste mit zu definierender Traglast, und Passagierdrohnen (oder Flugtaxis), die pilotiert oder autonom fliegend Passagiere transportieren.

  1. Inspektions- und Überwachungsanwendungen:

  • Verkehrsüberwachung: Drohnen können Daten über Verkehrsfluss und Staus im Stadtraum an eine Verkehrszentrale melden und so ein integraler Bestandteil der Verkehrssteuerung werden.
  • Unfallsicherung: Ein weiteres Einsatzgebiet könnte die Übermittlung von relevanten Bildern sowohl des Unfalls auch der umgebenden Massendynamik an die Einsatzkräfte sein, bevor Polizei und Rettungsdienst selbst beim Unfall eintreffen.
  • Unterstützung von Feuerwehr: Um schwer zugängliche Brände zu löschen, können Drohnen wertvolle Informationen aus der Luft senden.
  • Inspektionsflüge: Die Ausstattung der Drohnen mit unterschiedlichen Monitoring-Technologien ermöglicht unter anderem Inspektionen von Bauwerken und Infrastruktur, Aufzeichnungen von Abwärme aus Gebäuden, Entweichen von Gasen in Industriegebieten oder Anstieg von Fluss- und Meerespegeln.
  1. Lieferdienst

  • Lieferung von medizinischen Versorgungsgeräten oder Notfallmedikamenten: Gerade bei dringenden Lieferungen, kann die stauarme Abkürzung über den Luftraum entscheidende Zeit-Vorteile bringen
  • Kommerzieller Lieferdienst: Drohnen und Multikopter können in einem angehängten Frachtraum Lieferungen mit einer limitierten Traglast übernehmen. Kommerzielle Testversuche hierzu finden derzeit beispielsweise in Reykjavik, Helsinki und im australischen Canberra statt, wobei die Ladung an Seilwinden aus der Luft abgelassen wird.
  1. Flugtaxis in Städten (Personenbeförderung)

Derzeit entwickeln Anbieter unterschiedlichste Passagierdrohnen für diverse Use Cases. Je nach Antriebsart, Gefäßgröße und Bauweise könnten diese 1-5 Personen 10 – 300km weit befördern. Im Wesentlichen werden derzeit folgende Anwendungen angedacht:

  • Individuelle „Flugautos“: Wie ein PKW, soll dieses Gefäß in privatem Besitz sein. Als „Auto“ wird es in einer Garage geparkt und fährt auf 4 Rädern zum nächsten Flughafen. Dort nutzt es nach einem kurzen „Umbau“ die Startbahn und fliegt zum Ziel-Flughafen, wo es landet, umgebaut wird und weiter in die Stadt rollt. Beispielhaft kann man hier das „flying car“ von Terrafugia nennen.
  • Individualdrohnen: Ähnlich wie beim Flugauto wäre dieses Gefäß nur für 1-2 Personen ausgelegt. Der Quadrocopter (o.Ä.) würde als Flugtaxi in Städten hauptsächlich Kurzstrecken zurücklegen und Landezonen auf Gebäuden nutzen. Zu den Unternehmen dieser Kategorie zählen unter anderem die deutsche Firma Volocopter oder auch EHang aus China.
  • Beförderungsdienste: Bis zu 5 Personen könnten sich künftig ein Flugtaxi teilen und damit auch längere Distanzen (bis 300km) gemeinsam zurücklegen. Die Landung könnte innerstädtisch auf sogenannten Airpads auf Flachdachhäusern stattfinden. Außerhalb von Städten gäbe es vielfältige Start-/ Landeoptionen. Für diese Art des Reisens steht exemplarisch das Flugtaxi des deutschen Startups Lilium.

Vorteile von Drohnen

Die dritte Dimension

Der größte Vorteil von Drohnen besteht natürlich darin, dass sie die dritte Dimension nutzen und damit nicht von der derzeitig gebauten, und oft überlasteten Infrastruktur, sprich den Straßen, abhängig sind. Dies bietet Geschwindigkeitsvorteile gegenüber konventionellen Verkehrsmitteln durch Abkürzung von Wegen in der Stadt.

Die bereits genannte dritte Dimension erlaubt zusätzlich den Einsatz als „drittes Auge“ von oben. Dies erleichtert Inspektionen von schwer zugänglichen Strukturen oder erfasst Raum für unterschiedlichste Zwecke dreidimensional. Dies reduziert Risiken für Menschen, die sonst diese Aufgaben übernehmen müssten (z.B. Brückeninspektion) und spart Zeit und Kosten für Inspektionen. Beim Einsatz eines „Dritten Auges“ für die Unfallsicherung, können die Einsatzkräfte ihre Ressourcen besser planen, da sie frühzeitig ein klareres Bild des Geschehens haben.

Aber auch die Geschwindigkeit der Drohne per se auf offener Strecke ist dem Zug oder dem Auto mindestens gleichzusetzen. Auf diese Weise steigt die Erreichbarkeit von abgelegenen Gegenden und Reisekosten können reduziert werden.

Flexibilität

Ein weiterer Vorteil von Drohnen oder Multikoptern ist, dass sie sich mit unterschiedlichster technischer Ausstattung kombinieren lassen. Film- oder Wärmebildkameras erlauben die Übermittlung von (Echtzeit-) Daten (z.B. Verkehrsfluss). Diverse sensorische Instrumente übermitteln ansonsten schwer erfassbare Daten und mit einem Frachtraum können Güter transportiert werden.

Auf der technischen Seite punkten Drohnen mit dem hohen Wirkungsgrad von Elektromotoren, so dass je nach Bauweise die Ökobilanz bei einem mit 4 Personen besetzten Flugtaxi besser ausfällt als bei einem Taxi. Hierzu gelten allerdings starke Einschränkungen im Vertikalflug (Start und Landung), bei dem ein gegenteiliger Effekt eintritt.

Herausforderungen der Implementierung von Drohnen

Doch um wirklich in den Genuss der potentiellen Vorteile der Drohnen kommen zu können, gilt es, vorab noch einige Herausforderungen zu bewältigen. In diesem Artikel möchte ich nicht auf die technischen Schwierigkeiten eingehen, die natürlich ebenfalls noch in den Griff zu bekommen sind. Für die Leser, die sich dieser Fragestellung widmen wollen, empfehle ich diesen Artikel.

Ich möchte die sozialen, regulativen und räumlichen Herausforderungen beschreiben, die viel seltener beschrieben werden. Wenn in Städten der urbane Luftraum intensiv genutzt werden soll, hat dies direkte Auswirkungen auf die Stadt und ihre Bewohner – was das Titelbild des Artikels, das aus dem Film „Das fünfte Element“ stammt, deutlich demonstriert.

Die Art und Weise wie Flugtaxis in Städte integriert werden, wird nicht nur Betriebsprozesse, sondern auch Gebäude und Infrastrukturen, den öffentlichen Raum und das gesamte Lebensgefühl einer Stadt beeinflussen.

Konkret bedeutet das, dass über die Implementierung von Drohnen nicht nur Bundesgesetze entscheiden sollten, sondern dass auch Städte ihre Anforderungen an diese neue Mobilität klar definieren müssen. Technologieanbieter und Stadtverwaltung müssen sich gemeinsam an einen Tisch setzen, um zu diskutieren, wie die Technologie sich am Besten in die Stadt und in ihr vorhandenes Mobilitäts-Ökosystem integrieren lässt. Und auch die Bewohner müssen umfassend informiert werden, Ängste und Bedenken ernst genommen werden und ein für alle akzeptabler Weg gefunden werden.

Dabei sollte man folgende Aspekte diskutieren:

Regulierung:

Derzeit gilt in Deutschland die Drohnenverordnung des BMVI, die Flüge über Wohngebieten von Drohnen mit mehr als 250g Gewicht nicht gestattet. Damit wäre beinahe der gesamte urbane Luftraum eine No-Go Zone. Im Dezember 2017 hat die Deutsche Luft und Raumfahrt Behörde jedoch ein Konzept entwickelt, wie UAS (Unmanned Aircraft Systems) in den urbanen Luftraum integriert werden könnten. Der grundsätzliche Ansatz geht von einer rein kapazitären Lösung aus, wobei die Kapazität des Luftraums von den jeweiligen Sicherheitsabständen oder Schutzzonen der Drohnen bestimmt wird.

©DLR

Die Sicherheitsabstände wiederum orientieren sich an der technischen Ausrüstung – je besser diese ist, desto kleiner die Schutzzone. Das Konzept geht also rein von einer effizienten Luftraumsegmentierung aus und differenziert nicht entlang von Zweck oder Geschäftsmodell der UAS. Außerdem soll ein U-Space-Service (Management des urbanen Luftraums) eingeführt werden, der dann basierend auf freier Kapazität und bodennahen Bedingungen jedem Fluggerät einen möglichst risikoarmen Flugweg zuweist.

Falls dieses Konzept in Zukunft umgesetzt wird, stellt sich für Städte aber die Frage, wie weit sie in diese Regelungen eingreifen können, um über die technischen Anforderungen hinaus die Lebensqualität der Stadt sichern zu können. Dabei treten beispielhafte folgende Fragen in den Vordergrund:

  • Kann die künftige Drohnenverordnung, die dann auf europäischer Eben geregelt wird, von Städten mitgestaltet werden?
  • Sollte es bei einer zu erwartenden Auslastung der Maximalkapazität des Luftraums von Anfang an eine Priorisierung zwischen zivilen, kommerziellen und privaten Drohnen im Luftraum geben?
  • Kann eine Stadt in die Genehmigung des Flugbetriebs eingreifen und nur Geschäftsmodelle genehmigen, die besonders wertschaffend sind?
  • Sollten Flugtaxis mit mehr Personen Vorrang vor Drohnen mit nur einer Person erhalten (analog zu heutigen Busspuren)?
  • Können Städte gegen bestimmte Flugkorridore (z.B. über Flüssen) Einspruch einlegen, wenn das Gemeinwohl, z.B. der Erholungsfaktor eines Flusses, höher zu bewerten ist als der risikoarme „Flughighway“?

Soziale Akzeptanz:

Es ist zu erwarten, dass Bewohner von Innenstädten nicht gleichermaßen begeistert sind, wenn der bisher nicht genutzte Raum über Häusern, Parks oder Flüssen plötzlich mit Verkehrsmitteln belegt wird. Damit diese Stimmungslage nicht in Widerstand kippt, muss die Stadtbevölkerung frühzeitig einbezogen werden. Folgende Aspekte sollten bedacht werden:

  • Wie kann eine soziale Akzeptanz des Drohnenverkehrs hergestellt werden? Welche Informationen müssen frühzeitig kommuniziert und diskutiert werden?
  • Wie wird die Lebensqualität der Bewohner gewahrt, wenn Wohngebäude plötzlich zusätzlichem Lärm, Lichtsignalen und möglichen Einblicken ausgesetzt sind?
  • Wie wird Sicherheit gewährleistet, zum Beispiel bei Zusammenstößen und/ oder Abstürzen?

Räumliche Infrastruktur und Auswirkungen

Landezone Flugtaxi Innenstadt

©Lilium

Wie jedes Verkehrsmittel benötigen auch Drohnen eine dazu passende Infrastruktur, die zusätzlich im Stadtraum unterzubringen ist. Sowohl Flugrouten, als auch Start- und Landezonen sind in der heutigen Stadt nicht vorhanden, sondern müssen erst einmal geschaffen werden. Dazu werden folgende Fragen relevant:

  • Werden vorgegebene Flugrouten oder Korridore zwischen der Stadt und der Flugsicherung abgestimmt?
  • Wo können Start-/Lande-Docks angeboten werden? Können Bestandsstrukturen verwendet werden oder nur spezifisch geplante Neubauten?
  • Muss die Anzahl der Lande-Docks reguliert werden?
  • Wie werden die Lande-Docks mit dem restlichen Mobilitätssystem verknüpft, um möglichst ein nahtloses Mobilitätsangebot zu schaffen?
  • Können Hub-Strukturen für Personen- und Lieferverkehr eingeführt werden?
  • Müssen für die Zulassung von Flugtaxis zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sein (z.B. ein nachgewiesener Parkplatz)?
  • Wie können Negativeffekte, wie z.B. der urbane Sprawl eingeschränkt werden?

Die Liste an offenen Fragen ist sicher noch lange nicht komplett – zeigt aber, wie viele Themen vor der, von Vielen sehnsüchtig erwarteten, Einführung der Drohnen in den urbanen Raum noch geklärt werden müssen.

Wie geht es weiter?

 Die deutsche Drohnenverordnung von 2017 wird noch in 2019 von einer europäischen Verordnung abgelöst. Hier ist es noch nicht klar, wie der urbane Luftraum behandelt wird.

Wenn der urbane Luftraum freigegeben wird und auch zunehmend autonome Drohnen diesen nutzen werden, dann stellt sich die Frage, wie die Flugsicherung in diesem Luftraum und ohne zu instruierenden Piloten agieren wird. Hierfür müssen neue Systeme und Prozesse aufgesetzt werden, die hoch automatisiert sein müssen.

Darüber hinaus ist wie beim autonomen Fahren, auch bei Fluganwendungen ein verbessertes Kommunikationsnetzwerk (5G) von Nöten.

Wenn wir aber nun davon ausgehen, dass diese technischen Herausforderungen gelöst werden können, gibt es immer noch eine andere Art von Herausforderung, der sich die Städte stellen müssen um den Einsatz von Drohnen in größerem Maßstab zu ermöglichen.

Städte müssen eine Führungsrolle bei der Gestaltung der Nutzung von Drohnen im urbanen Raum einnehmen. Dazu sollten sie schon heute aktiv auf alle Beteiligten zugehen, Anforderungen diskutieren, die Regulierungen anpassen, bzw. erarbeiten, Integrationsanforderungen erkennen und Infrastrukturen planen. Um all dies leisten zu können, müssen kooperative Pilotprojekte aufgesetzt werden, um unterschiedlichste Use Cases zu testen, aus denen Erkenntnisse abgeleitet werden können, die dann nötigenfalls in Regulierungen übersetzt werden können.

Wenn übergeordnete Anforderungen an dieses neue Verkehrsmittel wie Sicherheit, Transparenz, Verantwortlichkeiten, Datenschutz und Umweltschutz gewährleistet werden, dann könnten Drohnen in 10 Jahren ein wertvoller Bestandteil für die urbane Mobilität werden.

Titelbild: Das fünfte Element

1 Kommentar
  1. Marina Beutner
    Marina Beutner sagte:

    Der Artikel ist klasse. Einfach kompakt und interessant dargestellt und das Thema megaspannend und für alle relevant. Besten Dank dafür.

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